„Die Club- und Partykultur bedeutet ziemlich viel für die Jugend in Freiburg“, betont Jérémy Schenk, Vorsitzender der IG Subkultur. Gleichzeitig mussten im Stadtgebiet aber 38 Clubs ihre Pforten in den vergangenen 20 Jahren schließen, zählt der Freiburger Verein Clubkultur. Wegen des Wegfalls dieser Tanzflächen erschließen Freiburgs Feiernde neue Plätze. Auch nicht angemeldete und damit illegale Veranstaltungen gehen immer wieder über die Bühne.
Und die sorgen vor allem in den Sommermonaten für Ärger. Wenn tiefe Bässe und laute Musik durch Parkanlagen schallen, können Anwohner*innen kaum schlafen. „Du kannst es auch mal zwei Stunden ertragen, aber du kannst es nicht zehn Stunden ertragen. Das macht uns wahnsinnig“, beschwert sich Heiner Brecht, der mehr als 50 Jahre in Freiburg Betzenhausen gewohnt hat.
Im Interview berichtet der ehemalige Dietenbachpark-Anwohner Heiner Brecht von nächtlichen Störungen, die er durch laute Partys erlebt hat. Der ehemalige Polizist erklärt, wie sich die Bürgerinitiative KontraBass für die Rechte von Anwohner*innen einsetzt.
Aber es sind nicht nur große Partys oder Veranstaltungen, die Anwohner*innen wachhalten – auch kleinere Zusammenkünfte mit Musikboxen störten den Schlaf vielerorts. Freiburgs Nachtschwärmer*innen mussten deswegen bereits Einschränkungen hinnehmen: Im Jahr 2023 wurde die sogenannte Parkanlagensatzung beschlossen. Diese regelt unter anderem, dass ab 23 Uhr keine Bluetooth- und Handyboxen sowie Musikinstrumente erklingen dürfen. Die Satzung gilt im Freiburger Stadtgarten, Colombi-, See- und Dietenbachpark, Moosweiher und im Park am Sandfang.
Wohl als Ausgleichsmaßnahme wurde noch im selben Jahr auf der ehemaligen Eisstockbahn im Dietenbachpark eine Veranstaltungsfläche für die Freiburger Rave-Szene eingerichtet. Darauf können Partys angemeldet werden. „Das Pilotprojekt soll die Stadt um legale und unkommerzielle kulturelle Veranstaltungen bereichern“, so Rathaussprecherin Tabea Krauß.
Vergangenes Jahr gründete die Stadtverwaltung die Abteilung „Öffentlicher Raum – Platzmanagement und Konfliktprävention“ im Amt für öffentliche Ordnung, die sich um Anliegen der Bewohner*innen und Feiernden kümmern soll. „Die Stadt hat bereits viel getan, um die Situation in Bezug auf Lärmproblematik zu verbessern, Konflikte zu entschärfen und im besten Fall erst gar nicht entstehen zu lassen“, erklärt das Presse- und Öffentlichkeitsreferat.
Die Verwaltung rief außerdem die sogenannten Nightowls, auch Nachteulen genannt, ins Leben. Seit Mai 2023 sollen sie als vermittelnde Instanz zwischen Feiernden und Anwohner*innen agieren. Nachts sind sie vor allem auf dem Augustinerplatz, dem Platz der Alten Synagoge und im Seepark unterwegs. „Es soll für ein rücksichtsvolles Miteinander auf den öffentlichen Plätzen geworben werden“, erklärt Krauß.
Die Nachteulen sind in den warmen Monaten donnerstag-, freitag- und samstagabends sowie vor Feiertagen zwischen 17 und 23 Uhr unterwegs. Zu erkennen sind sie an roten Shirts oder Kapuzenpullis. „Ihre Arbeit führen sie ausschließlich durch Dialogsuche mit auffällig lauten Nutzer*innen durch“, erklärt Krauß. 16.217 Personen sprachen die Eulen im vergangenen Jahr an. Das Amt für öffentliche Ordnung zeigt sich zufrieden: „Das Gesprächsangebot wird sehr gut aufgenommen.“
6.247 Personen sprachen die Eulen bis zum 31. Juli dieses Jahres an. „Die überwiegende Mehrheit davon zeigt Verständnis für die Bedürfnisse der Anwohnenden“, so Krauß. Sie berichtet, dass sich die Gesamtsituation „erheblich“ verbessert habe und es abends und nachts deutlich ruhiger sei. „Sowohl Platznutzende als auch Anwohnende loben den präventiven Ansatz”, so die Sprecherin. Sollte es trotzdem zu Eskalationen kommen, übernimmt der kommunale Vollzugsdienst oder die Polizei.
Doch nicht alle halten die von der Verwaltung ausgeführten Lösungen für angemessen. Im August des vergangenen Jahres bildete sich ein Klagebündnis gegen die Parkanlagensatzung. Darunter Mitglieder des Gemeinderats, der IG Subkultur und anderer Initiativen, wie dem Ring Politischer Jugend Freiburg. Rund 3.000 Unterschriften gegen das Boxenvervbot sammelte das Bündnis laut Juso-Vorstand Seren Haliloğlu.
Der Versuch, die Parkanlagensatzung gerichtlich abzuschaffen, scheiterte jedoch vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim. Schenk kritisiert das Urteil und fordert von der Stadtverwaltung, dass die Raumnot im subkulturellen Raum ernster genommen wird und schlägt Eigeninitiative bei der Flächensuche vor: „Ich wünsche mir, dass mit Privatpersonen in Kontakt getreten wird, ob da Möglichkeiten geschaffen werden können, um legal zu raven oder einen Club zu bauen. Man kann mit Kreativität sehr viel ausrichten.“
Veranstalter Jérémy Schenk erzählt von Herausforderungen in Freiburg, Raves zu organisieren. uniCROSS wirft einen Blick in die legale Veranstaltungsszene, ein DJ berichtet von illegalen Partys.
Auch die Anwohner*innen der betroffenen Flächen sind bestrebt, eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird. „Wir möchten auf keinen Fall, dass die Raves nicht stattfinden“, sagt der Anwohner Brecht. Jeder dürfe sich entfalten – aber in einem angemessenen Rahmen.
Wenn die Temperaturen in Freiburg wieder steigen, werden feiernde Menschen in die Parks zurückkehren. Ob bis dahin eine Lösung gefunden ist, die beide Seiten zufriedenstellt, darf zum jetzigen Zeitpunkt allerdings bezweifelt werden.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Ida Biegel, Sandra Leinmüller, Hanna Böhm, Maryem Kessler und Nico Stegl im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.