Zwischen Proteinshake und Chipstüte – ein Kommentar
Jeden Tag werden mehr als 95 Millionen Bilder und Videos auf Instagram hochgeladen: Durchtrainierte Models, die sich am Strand rekeln. Geschniegelte Influencer, die vor Autos posieren. Verschwitze Sportler, die ihre Muskeln zur Schau stellen – im Mittelpunkt steht immer ein schlanker oder durchtrainierter Körper. Deren Posen sind stets dieselben: in die Kamera lächeln, Haare schwingen, Haut zeigen. Ist das Schönheit? Die eine Hälfte des Internets sagt Ja. Und kommentiert fleißig: „Babe“ oder „Hübsche“.
„Hey Leute“, kumpeln die falschen Freunde zurück. Diese Nähe in sozialen Netzwerken ist allerdings nicht echt. Sie ist eine Illusion, die uns in Berührung mit Produkten und Preisschildern bringt. Fortan nehmen wir Pillen, die uns Schlankheit versprechen, kaufen Kleidung, die uns nicht passt und machen Fitnessprogramme, die uns fertigmachen.
Die Influencer haben leichtes Spiel. Schönheit findet heutzutage ganz einfach digital statt: Per Mausklick können Lippen voller und Muskeln größer gemacht werden. Ohne es zu merken, werden wir Opfer von Verkaufsmaschen und falschen Versprechungen. Erst nach unzähligen Klicks und Käufen wird deutlich: Abgenommen hat vor allem unser Geldbeutel.
Gegen diesen grellen Schein hat der digitale Raum einen Schirm gespannt: Unter dem Hashtag bodypositivity teilen Menschen aller Couleur echte Gefühle über ihren Körper. Dort rebellieren Jugendliche offen gegen Körper-Normen. Diversität ist Trumpf. Schönheit ist laut dem digitalen Schlachtruf das Gefühl, sich im eigenen Körper wohlzufühlen – ganz egal, wie dieser aussieht.
Allerdings fühlen sich einige unter dem Schirm von #bodypositivity ein bisschen zu wohl: Statt Fitness im Gym stehen dort Sitzübungen auf Couch auf dem Programm. Der Proteinshake wird von der Chipstüte abgelöst. Mit tiefer Inbrunst wird eine Liebeserklärung nach der anderen auf den eigenen Körper gesungen. Plötzlich soll man mit übertriebenen Optimismus Dehnstreifen und Pickel lieben? Sie sanft streicheln und ihnen Kosenamen geben? Dieses andere Extrem scheint auch nicht gesund.
Beide Seiten vergessen, dass Schönheit über die Grenzen des Körpers hinausgeht. Selbstbestimmung wiegt schließlich mehr als Hanteln und Hüftgold. Schön ist, wer Schönes tut und sein Antlitz nicht vom Algorithmus abhängig macht. Wie wäre es also mal mit der Digital-Detox-Diät? Also: Smartphone ausschalten und Selbstwertgefühl anknipsen.
Schönheit, was ist das?
Wie hat sich Schönheit verändert? Und warum sind wir so fixiert darauf? Wir sprechen mit Prof. Harald Hillgärtner von der Universität Freiburg über die Definition von Schönheit, sozialen Druck und Ethik in der plastischen Chirurgie.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Laura Thoms, Lucy Siegel und Natural Orlando Fosuhene im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.
Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Karsten Kurowski, Philip Thomas